Vertrauen ist gut, Kontrolle aber besser: Das Genfer Siegel
Der alte Poinçon de Genève - das Genfer Siegel
Kritik führt zum Neuanfang: Alles neu zum 125. Jubiläum
Das neue Genfer Siegel
Am 01. Juni 2012 traten die Vereinbarungen zum neuen Genfer Siegel in Kraft. Danach blieb den Nutzern ein weiteres Jahr zur Umstellung. Uhrwerke, welche sich in der Vergangenheit bereits für den damals gültigen Poinçon qualifiziert hatten, durften selbstverständlich bleiben, wie sie sind. Auch an der Tatsache, dass es sich beim Genfer Siegel um ein Ursprungszeugnis handelt, rüttelte niemand.
Die mechanischen Uhrwerke und eventuell auch zusätzliche Module (zum Beispiel Kalenderwerke) müssen im Kanton Genf montiert, justiert und eingeschalt worden sein. Dass höchste und feinste Uhrmacherkunst als Konstruktions- und Fertigungsgrundlage betrachtet wird, mag sich mit Blick auf die langen einschlägigen Traditionen von selbst verstehen. Ebenso das Faktum, dass die Antragsteller im Handelsregister des Kantons Genf eingetragen sein müssen.
Welche Qualitätskriterien beinhaltet das neue Genfer Siegel?
Weil künftig Uhrwerk und Gehäuse zusammengehören, ist die individuelle Nummerierung beider Komponenten unabdingbar. Unabdingbare Voraussetzung für die Zuerkennung der Qualitäts- und Herkunftspunze ist -wie eh und je- die Erfüllung eines klar definierten Kriterienkatalogs bezüglich Konstruktion, Fertigung und Feinbearbeitung. Zu diesem Zweck sind Pläne, Komponenten und Werke oder Module beim Timelab einzureichen. Das gilt auch für extern zugelieferte Bauteile.
Der Entscheidungsprozess für die Zuerkennung oder Ablehnung des Siegels nimmt anschließend rund zwei Wochen in Anspruch. Dafür, dass anschließend die Serienprodukte dem Zertifizierten entsprechen, ist in erster Linie die Manufaktur selbst verantwortlich. Aber neben den periodischen, in einem Monitoring-Prozedere festgelegten Intervallen behalten sich die unabhängigen Timelab-Mitarbeiter jederzeit unangekündigte Kontrollen in den Fertigungsateliers vor. Zum Vergleich und zur Kontrolle verbleiben die Referenz-Kits auf jeden Fall im Besitz des Timelab. Ihre Qualitäts-Beurteilung erfolgt unter Verwendung einer vierfach vergrößernden Lupe. Bei Bedarf können die Kontrolleure bis zum 15-fachen gehen.
Jede Art von Kunststoff-Komponenten ist kategorisch ausgeschlossen. Keine Erinnerungen bestehen gegen moderne Silizium-Bauteile. Hinsichtlich der Ausführung und Feinbearbeitung beispielsweise von Schraubenköpfen, Federn, Lagersteinen, Rädern, Trieben, Kloben, Brücken und Platinen wendet das Timelab ähnlich strenge Maßstäbe an wie schon zuvor.
Auch die Ausführung des Schwing- und Hemmungssystems ist im umfassenden Regelwerk abhängig von der Größe des Uhrwerks genauestens definiert. Die Handlungsspielräume der Manufakturen sind also nicht sonderlich groß.
Ähnliches gilt für die fortan auch Montage und Befestigung des Uhrwerks im Gehäuse. Das Timelab hat die zulässigen Komponenten genau festgeschrieben.
Diese Pflichten treffen beispielsweise auch auf Chronographendrücker zu. Am Ende muss jedes Uhrwerk die Punzierung deutlich sichtbar tragen, tunlichst auf solchen Bauteilen, welche auch die in einer offiziellen Datenbank erfasste Seriennummer tragen.
Am Ende des Prüf- und Zertifizierungsprozedere steht nach den neuen Regelungen die fertige Uhr. Hier geht es um Wasserdichtigkeit, Funktion, Gangautonomie und die Ganggenauigkeit.
Weil das Timelab die Luxusuhren auch aus haftungsrechtlichen Gründen unmöglich in eigenen Räumlichkeiten checken kann, sind hier die Firmen selber gefragt.
Schummeln geht gleichwohl nicht, denn jeder Kunde weiß, was er in Punkto Präzision und Wasserdichtigkeit erhält. Speziell die exakt vordefinierten Werte zur Ganggenauigkeit lassen sich mit jeder Funkuhr detailliert nachprüfen. Nach sieben aufeinanderfolgenden Tagen in unterschiedlichen Positionen darf die Uhr nicht mehr als eine Minute von der Norm abweichen. Die Wasserdichtigkeit muss mindestens bis 3 bar Druck reichen. Ein Unterdruck von 0,5 bar darf der Uhr ebenfalls nichts ausmachen. Natürlich hat die spätere Gangautonomie den angegebenen Herstellerwerten zu entsprechen.