Ein weiterer Klassiker des Motorsportchronographen ist die TAG Heuer Carrera. Sie ist benannt nach einem mexikanischen Autorennen, das aufgrund vieler unbefestiger Bergstraßen auf der Route als das gefährlichste der Welt galt: die Carrera Panamericana. Jack Heuer, der Erfinder und Designchef der Uhr, schreibt in seiner Autobiographie: „In Sebring hörte ich erstmals das spanische Wort Carrera. Ich liebte nicht nur seinen sexy Klang, sondern auch seine vielfältige Bedeutung, die Straße, Rennen, Kurs und Karriere einschloss.“ Neben der Carrera genießt heute auch ein anderer Motorsport-Chronograph, die TAG Heuer Autavia, Kultstatus unter Sammlern. Sie kam noch vor der Carrera auf den Markt. Ihr Name ist ein Akronym aus „Automobile“ und „Aviation“. Während die Carrera mit einer Tachymeterlünette ausgerüstet ist, besitzt die Autavia, je nach Modell, eine 60-Minuten-Skala oder eine 12-Stunden-Einteilung. Sie ermöglicht das einfache Ablesen abgelaufener Rennzeiten.
Fast gleichzeitig mit der Carrera kam 1963 der Rolex Cosmograph Daytona auf den Markt, ebenfalls ein Chronograph mit absoluter Motorsport-DNA. Benannt wurde er nach dem 24-Stunden-Rennen, das seit 1959 auf dem Daytona International Speedway in Florida stattfindet. Besonders begehrt unter Sammlern sind ist die Rolex Daytona mit schwarz-weißem-Zifferblatt und monochromen Totalisatoren (Fans sprechen in Anlehnung an die Farben des chinesischen Bären vom Panda- oder Reverse-Panda-Zifferblatt). Eine solche Version, die der Schauspieler Paul Newman besaß, erzielte 2017 auf einer Versteigerung des Auktionshauses Phillips einen Verkaufspreis von 17,7 Millionen Dollar. Sie ist damit die zweitteuerste jemals versteigerte Armbanduhr.
1969: Die ersten automatischen Chronographen
Ende der 1960er Jahre brach eine neue Epoche für die Chronographen an.
Die Schweizer Uhrenbranche merkte, dass die Nachfrage nach Uhren mit Handaufzug stetig zurückging. Die Kunden verlangten nach Automatikuhren. Es war Zeit für die Branche, auch den Chronographen mit automatischem Aufzug anzubieten. Das stellte die Konstrukteure vor eine Herausforderung. Automatikuhren funktionieren über einen Rotor, der die Bewegungsenergie des Trägers an den Aufzugsmechanismus der Uhr weitergibt. Ein solcher Rotor braucht seinen Platz und wenn auch noch der Chronographen-Mechanismus hinzukam, wurde die Uhr zu dick. Eine Lösung schien in Sicht, als die Buren Watch Company auf der Baseler Messe 1967 einen neuen, dünneren Microrotor vorstellte. Es brauchte nun noch eine passgenaue Kombination mit dem Chronographen-Mechanismus, den der Chronographen-Spezialist Dubois-Dépraz beisteuerte. Jack Heuer – Chef und Eigentümer der Uhrenmarke Heuer (seit 1985 TAG Heuer) – brachte die Partner zusammen und gewann Willy Breitling als Co-Investor. Die Konstruktion der Uhr gelang, und am 3. März 1969 stellte das Konsortium Heuer, Breitling, Buren, Dubois-Dépraz parallel in Genf und New York das erste automatische Chronographen-Uhrwerk mit dem berühmten Kaliber 11 vor. Heuer stellte dazu drei Modelle vor, die mit dem revolutionären Antrieb ausgestattet werden sollten: Autavia, Carrera und die neue quadratische Heuer Monaco, Breitling integrierte das Kaliber 11 in die Navitimer Chrono-Matic. Typisch für das Uhrwerk war, dass die Krone links, die Drücker rechts angebracht waren.
Zwei Monate vorher hatte Jack Heuer erkennen müssen, dass ein Konkurrent ebenfalls einen Automatikchronographen entwickelte hatte und ihm medial zuvorgekommen war: „Am 10. Januar 1969, blickte ich in meine Lokalzeitung und hätte mich fast an meinem Kaffee verschluckt. Da stand eine kleine Meldung, dass die Schweizer Uhrenfirma Zenith den weltweit ersten Automatik-Chronographen ,El Primero‘ entwickelt habe und dass es einen funktionierenden Prototyp gebe“, schrieb Heuer in seiner Autobiographie. Und auch außerhalb der Schweiz schlief man nicht. In Japan war Seiko dem Zeitgeist auf der Spur und hatte ebenfalls einen Automatikchronographen entwickelt, der jedoch zunächst nur in Japan angeboten wurde. Das Kaliber trug den Namen Seiko 6139.
1974 kam mit dem Valjoux 7750 (heute Eta 7750 Valjoux) das erste preisgünstige Chronographen-Werk mit Automatikaufzug auf den Markt. Es wurde zum Bestseller und steckt bis heute in vielen Uhren im unteren bis mittleren Preisbereich.
1999: A. Lange & Söhne und die Geburt des Haute-Horlogerie-Chronographen
1999 setzte A. Lange & Söhne neue Maßstäbe in der Herstellung von Chronographen. Zu diesem Zeitpunkt besaßen nur wenige Hersteller eigene Chronographenwerke. Selbst Patek Philippe setzte auf das zugelieferte und verlässliche Lemania CH27 und präsentierte erst 2005 seinen ersten komplett eigenständigen In-House-Chronographen. A. Lange & Söhne stellte sechs Jahre zuvor eine Uhr mit komplett neuem Chronographenwerk vor und mit innovativen technischen Lösungen, die sich die sächsische Manufaktur patentieren ließ: so einem Schalthebel zur Einstellung des exakten Springpunkts des Minutenzeigers. Der Datograph ist der erste Chronograph seit der Longines 13.33Z, der sowohl einen springenden Minutenzähler als auch die Flyback-Funktion umfasste. Beim Flyback-Chronographen werden Stoppen, Nullstellen und Starten in einem Vorgang zusammengefasst. Die Zeiger fliegen quasi mit einem Knopfdruck zurück in die Ausgangsposition. In punkto Ingenieurskunst, aber auch in der Veredelung aller Werkteile stellte das L951.1, das Uhrwerk des Datograph, alles in den Schatten, was es bisher an Chronographen gab.
2004 enteilten die Glashütter der Konkurrenz ein weiteres Mal: Der Double Split war der erste mechanische Chronograph mit Doppel-Rattrapante-Funktion.
Der Double Split verfügt nicht nur über geteilte Sekundenzeiger, sondern auch über geteilte Minutenzeiger. Beide Zeigerpaare lassen sich getrennt voneinander anhalten. Zudem kann das gestoppte Rattrapante-Zeigerpaar die noch laufenden Chronographenzeiger wieder einholen. So werden auf mechanischem Wege Vergleichs- und Zwischenzeitmessungen bis zu einer Dauer von 30 Minuten möglich - eine unerreichte uhrmacherische Leistung der Feinuhrmacher aus dem sächsischen Glashütte.
Mit dem Triple Split ging A. Lange & Söhne sogar noch einen Schritt weiter. Dessen Mechanismus steuert drei Zeigerpaare synchron und unabhängig voneinander. Der Triple Split ist der erste mechanische Rattrapante-Chronograph der Welt, der mehrstündige Vergleichszeitmessungen erlaubt, und das auf die Sechstelsekunde genau.
Seit den 2010er-Jahren ist ein Wettlauf um Rekorde auf dem Gebiet der Chronographen entbrannt. Mehrere Marken erzielten Spitzenleistungen mit Hochfrequenzmodellen: so TAG HEUER mit der Mikrogirder, die eine Zeitmessung von 1/2000stel Sekunde ermöglicht. Zenith stellte 2021 einen Defy-Extreme-Chronographen vor, dessen Chronographenmodul 360 000 Halbschwingungen pro Stunde (50 Hertz) erreicht und auf die Hundertstelsekunde genau misst.
Bulgari erzielt Weltrekorde auf dem Gebiet der ultraflachen Uhren. 2019 präsentierte die römische Uhren- und Schmuckmarken-Ikone mit Schweizer Uhren-Manufaktur mit dem Octo Finissimo Chronograph GMT Automatic den flachsten, jemals gebauten mechanischen Zeitmesser mit Stoppfunktion: einen Automatik-Chronographen mit peripherem Aufzugsrotor, Schaltradsteuerung, klassischer horizontaler Kupplung und zweiter Zeitzone. Auch andere Hersteller investierten in die Qualität und Robustheit ihrer Chronographen.